Weltweit sind über 60 Millionen Menschen auf der Flucht – die meisten sind im eigenen Land vertrieben, einige auch zur Flucht über Grenzen hinweg gezwungen. Sie suchen in Nachbarländern Schutz, nur ein Zehntel der Zufluchtssuchenden leben in Industrienationen. Gewaltsame innerstaatliche Konflikte haben zu einem massiven Anstieg in die Flucht getriebener Menschen geführt. Die Zahl derer, die in ihre Heimat zurückkehren können, ist verschwindend gering. Meist schauen sie einer ungewissen Zukunft und einem Leben am Rand der Gesellschaft entgegen. Menschen fliehen jedoch nicht nur vor Krieg und Gewalt, sondern auch aufgrund wirtschaftlicher Situationen, die ein menschenwürdiges (Über-) Leben in der Heimat unmöglich machen oder sogar eine existenzielle Bedrohung darstellen.
Die Ursachen von Flucht sind vielfältig …
… und liegen nicht zuletzt an einem globalen ökonomischen Ungleichgewicht, das in unserem Wirtschaftssystem strukturell verankert ist. Internationale Handelsabkommen der World Trade Organization (WTO) fußen auf zahlreichen, zumeist intransparenten Aushandlungsprozessen, in denen Interessen der Industrienationen denen des globalen Südens entgegenstehen. Dabei sitzen Erstere aufgrund ihrer wirtschaftlichen Kapazitäten gewöhnlich am längeren Hebel. Auswirkungen sind beispielsweise der Export hochsubventionierter Agrarprodukte in afrikanische Länder, die den einheimischen Markt zerstören. Ein großes Problem stellt des Weiteren das sogenannte „Landgrabbing“ dar. Staaten und Konzerne kaufen in großem Stil Ackerland auf und ziehen dadurch den Menschen buchstäblich den Boden unter den Füßen weg. Kleinbäuerinnen und Kleinbauern verlieren ihre Existenzgrundlage und müssen ihrem Land den Rücken kehren. Auch durch das 'Entsorgen' von Produkten wie Altkleidern und Elektroschrott in Länder des globalen Südens entsteht vor Ort eine Konkurrenz zu einheimischen Gütern, die Arbeitsplätze vernichtet oder zu einer Weiterverarbeitung unter katastrophalen Bedingungen mit fatalen Folgen für die Gesundheit der dort lebenden Menschen führt. Auch der Klimawandel, der in nicht geringem Maße durch den Lebensstandard der Industrieländer vorangetrieben wird, hat in Ländern des globalen Südens bereits konkrete Auswirkungen auf klimatische Bedingungen und damit auf die vorhandenen Anbaumöglichkeiten. So kam es aufgrund veränderter Regenzeiten in den letzten Jahren zu großen Ausfällen der Kaffeeernte, denn den Bäuerinnen und Bauern war es nicht mehr möglich, den Kaffee wie üblich in der Sonne zu trocknen. Vielmehr führte phasenweise einsetzender Regen zur Unterbrechung des Trocknungsprozesses und damit zu erheblichen Qualitätsverlusten der Bohnen. Eine Folge klimatisch bedingter, widriger Lebensumstände ist die Arbeitsmigration in wirtschaftlich stärkere Länder, um durch Remissen (Geldüberweisungen von Migrant*innen in ihr Herkunftsland) das Überleben der eigenen Familie sicherstellen zu können. Neben der Lebensgrundlage für Verwandte stellen diese Geldtransfers oft auch einen Großteil der gesamtwirtschaftlichen Leistungen eines Landes dar und haben somit Einfluss auf geringere Armut, bessere Gesundheit und mehr Bildung.
Die Bekämpfung der hauptsächlich kriegerischen Ursachen für die aktuellen Flüchtlingsbewegungen in Richtung Europa liegt nicht im Fokus des fairen Handels und übersteigt seine Möglichkeiten bei weitem. Jedoch ermöglicht ein Handel frei von Ausbeutung gegenüber Menschen und Natur neue Perspektiven für die Betroffenen zu schaffen – in erster Linie in ihren Heimatländern selbst. Ziel des fairen Handels und der Bewegung "Paying a Fair Share" ist es, menschenwürdige Arbeitsbedingungen weltweit zu schaffen, damit Menschen in ihrer Heimat würdevoll und selbstbestimmt leben können. Die wichtigsten Instrumente dafür sind die Entwicklung von Absatzmärkten und das Bezahlen fairer Löhne, die zum einen die Lebenshaltungskosten der Produzent*innen decken und zum anderen auch die Infrastruktur in Bereichen wie Bildung und Gesundheit verbessern. So kann der Druck, die eigene Heimat aufgrund wirtschaftlicher Perspektivlosigkeit verlassen zu müssen, reduziert werden.
Die Verkaufszahlen fair gehandelter Produkte steigen stetig, trotzdem bilden sie noch immer nur unter 1% des gesamten Welthandels ab. Dies zeigt, dass die Eindämmung von Flucht und Migration durch eine andere Wirtschafts- und Handelspolitik nur langsam vorangeht und durch ihre nachhaltige Wirkung vor allem langfristig hilfreich sein kann.
Uns ist klar, dass gleichzeitig auch kurzfristige Ansätze unabdingbar sind. Deshalb sprechen wir uns für das Recht auf Asyl, die Aufnahme schutzbedürftiger Menschen und gegen die zunehmende Abschottung der 'Festung Europa' aus.
Grenzenlose Solidarität gehört zum Wesen des fairen Handels.